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Die Auswirkungen des MDK-Reformgesetzes - Millionenaufwand für Strukturprüfungen (Teil 2)

Die eingeführten MDK Strukturprüfungen haben ein lobenswertes Ziel: Sie sollen die Qualität komplexer Behandlungen sicherstellen. Diesem kommen Sie jedoch nicht nach, da die Praxis erhebliche Probleme aufzeigt:

  • Die Unterlagen sind, abhängig vom Bundesland, dem MD in Papierform zu übermitteln. Bei allein durchschnittlich 40 Anmeldungen eines mittelgroßen Universitätsklinikums sind dies 40 Akten zu erfahrungsgemäß etwa 8.000 Seiten Papier.
  • Trotz der vom MDS vorgefertigten Formulare zur Anmeldung und Selbstauskunft mit der Möglichkeit diese digital zu signieren, wird dies durch den MD bspw. in Berlin Brandenburg nicht akzeptiert.
  • Der MD legt abhängig von verschiedenen internen und nicht transparenten Gründen die Art der Prüfung (Erledigungsart) fest (Dokumentenbasiert, Vor-Ort, kombiniert). Ausführliche Informationen liegen dem MD in diesem Moment noch nicht vor, sodass er seine Entscheidung gar nicht fachlich detailliert treffen kann. Selbstauskunftsbögen mit bestimmten Mindestinformationen erhält der MD erst in einem späteren Schritt. Von dieser Entscheidung hängen nachgelagert aber die erhaltenen Unterlagen ab und damit auch die Interpretationsspielräume.
  • Da es sich um einen Verwaltungsakt handelt, erfolgen die Empfangsbestätigungen der Sammelanmeldungen sowie die Mitteilung der Erledigungsart, die Bestätigung des Erhalts der Unterlagen sowie die Mitteilung der Termine schriftlich in jeweils einzelnen Briefen. Bei 40 Anmeldungen sind dies allein 80 Briefe. Es ist davon auszugehen, dass auch der Versand von Bescheinigungen analog erfolgen wird.
  • Es gibt keine abgestimmten Definitionen zu Begrifflichkeiten aus dem OPS Katalog. Dies führt dazu, dass ggf. härtere Ansätze gewählt werden, als dies im OPS Katalog vorgesehen ist. Da diese Interpretation den Krankenhäusern vorab nicht bekannt war, konnten auch keine Strukturen angepasst werden. Eine Prüfung führt dann konsequenterweise zu einem negativen Ergebnis, Widersprüchen und zahlreichen Klageverfahren. Zwar hat am 23. August 2021 der MDS und die DKG beschlossen, dass der BfArM die entsprechenden Definitionen nachbessern soll und bis dahin von negativen Bescheiden diesbezüglich abgesehen wird, die neuen Definitionen treten jedoch rückwirkend zum 1.1.2021 in Kraft. Es besteht daher keine Möglichkeit sich auf diese als Krankenhaus vorzubereiten und deren Einhaltung nach der neuen und erstmals dann veröffentlichten Definition umzusetzen.

Es ist darüber hinaus im August 2021 noch immer unklar, wie mit den Folgen der verspäteten Veröffentlichung der Strukturprüfungsrichtlinie umzugehen ist. Zwar haben sich die Vertragsparteien dazu entschieden, dass die Anmeldefrist 30.06. auf den 15.08. verschoben werden, damit aber auch die Bearbeitung der Prüfungen bis 31.12. nicht sichergestellt werden kann. In der Praxis bedeutet dies für die Krankenhäuser, dass nicht für alle OPS-Kodes zum 1.1.2022 Bescheinigungen für die Abrechnungen vorliegen werden. Ungeklärt ist, ob die Krankenhäuser bis zum Erhalt der Bescheinigungen diese Fälle überhaupt abrechnen dürfen. Gleichzeitig gilt ab dem 1.1.2022 ein Nachverrechnungsverbot. Eine nachträgliche Korrektur der ersten Abrechnung ist demnach nicht mehr möglich. Ohne eine Ausnahmeregelung müssten mehrere tausend Fälle in den Krankenhäusern Wochen oder Monate ohne Abrechnung offenbleiben. Der Liquiditätsverlust wäre für einige Krankenhäuser existenzgefährdend, wenn nicht der Träger eingreifen kann.

Leider liegen für die MDK Strukturprüfungen keine offiziellen verwertbaren Zahlen zum Arbeitsaufwand in den Krankenhäusern vor. Es lässt sich sicherlich die Kosten für diesen Aufwand annähernd schätzen.

Im Rahmen einer Befragung wurden die Universitätskliniken um eine Einschätzung des Aufwands gebeten. Nicht enthalten sind dabei Arbeitsstunden auf Seiten der Kliniken, der Vorstände, etc. Es handelt sich alleinig um Arbeitsstunden des Kernteams. Es ergaben sich folgende Rückmeldungen:

Universitätsklinikum Zeitstunden 2020 Zeitstunden Folgejahre OPS
L 5000 5000 n/a
H 5000 5000 n/a
G 2000 2000 18
A 5000 5000 60
C 5000 3500 160
O 3000 3000 n/a
S 4320 3290 n/a
A 1970 1970 n/a
D 4450 3000 25
M 1200 1200 58
T 3015 2412 n/a
M 1600 1600 n/a
Zeitstunden Bearbeitung MD Strukturprüfungen, Schätzung, Abfrage Universitätskliniken, August 2021, nicht oder nicht vollständig enthalten sind indirekte Kosten in Kliniken, etc. (außerhalb des Kernteams) sowie etwaige Folgeprüfungen, Rechtsstreitigkeiten, etc.

In dem Aufwand nicht enthalten sind etwaige Folgeprüfungen. Hier werden von den befragten Kliniken teilweise bis zu weiteren 1.500 Stunden angegeben.

Arbeitszeitaufwand 2021: 215.000 EUR[1]

Arbeitszeitaufwand ab 2022: 150.000 EUR

Es ist davon auszugehen, dass diesen Aufwand viele der Universitätskliniken (38) und der größten Maximalversorger haben.

Arbeitszeitaufwand 2021 Universitätskliniken: ca. 8 Mio. EUR

Arbeitszeitaufwand 2021 Maximalversorger: ca. 8 Mio. EUR

Arbeitszeitaufwand ab 2022 Universitätskliniken: ca. 5,7 Mio. EUR

Arbeitszeitaufwand ab 2022 Maximalversorger: ca. 5,7 Mio. EUR

Im Summe ergibt sich damit eine finanzielle Belastung von mindestens 13,7 Mio. EUR pro Jahr für Krankenhäuser. Hinzu kommen Kosten für zahlreiche Folgeprüfungen bzw. Wiederholungsprüfungen sowie Rechtsstreitigkeiten.

Die Strukturmerkmale und Mindestvoraussetzungen von OPS Kodes sind ein wichtiges Kriterium zur Sicherstellung der Qualität und deshalb notwendig. Auch deren Einhaltung muss einer Kontrolle unterliegen. Dieser unterlagen Sie auch vor 2021 durch die fallbezogene Prüfung dieser Sachverhalte. Das MDK Reformgesetz pauschalisierte diese Prüfung durch ein Antragsverfahren. Inwieweit damit die Qualität dauerhaft gesteigert werden kann oder die Einhaltung besser geprüft werden kann ist auf Basis des immensen Zeit- und Ressourcenaufwands nicht klar. Dieser muss zwingend ins Verhältnis der zusätzlichen Belastung im Gesundheitswesen gesetzt werden. Die dargelegten Kosten spielen dabei nur eine Rolle. Auch Pflegekräfte und Ärzte müssen sich um zusätzliche administrative Aufgaben kümmern anstelle die medizinische Qualität am Patienten oben zu halten.


[1] 1 VK sind 1.600 Zeitstunden; TVöD TG 9a, Haushaltsbrutto ca. 68.490 EUR