Vorschläge zur Entwicklung des Gesundheitssystems in Deutschland

Zusammenfassung der Empfehlungen an die Ampel-Koalition: 

  • Gesetzliche Reformen der letzten Jahre sorgen für einen Aufbau von medizinischem und pflegerischem Personal in der Verwaltung anstatt am Patienten 
  • Bewältigt werden müssen derzeit ca. 700.000 MD(K)-Fallprüfungen und 300.000 Rechnungsabweisungen – involviert sind dabei Medizincontroller (u.a. Ärzte), Ärzte, Kodierfachkräfte (zumeist Pflegepersonal) in Krankenhäusern, bei den Krankenkassen und beim Medizinischen Dienst 
  • Strukturprüfungen mit hohem Aufwand beim Nachweis von OPS-Strukturen insbesondere bei Maximalversorgern und Universitätskliniken, da diese am meisten Komplexbehandlungen durchführen. Hoher Aufwand liegt bei den Krankenhäusern, die am ehesten diese Strukturen aufweisen. Risiko des Wegfalls der Finanzierung u.a. Intensivbehandlungen von Kindern und Erwachsenen sowie tausender Sozialgerichtsfälle aufgrund unzureichender Definitionen im OPS 
  • Quartalsbezogene Prüfquotenermittlung ist intransparent und lässt Manipulation der Daten durch bewusste Verschiebungen von zeitlicher Übermittlung von Leistungsentscheidungen vor, Widersprüche und Mangelhafte Gutachten des Medizinischen Diensts laufen einseitig nachteilig zu Lasten der Krankenhäuser 
  • Maluszahlungen erhöhen die Rückzahlungen an Krankenkassen um eine Strafzahlung und führen direkt zu Jahresverlusten 
  • Maluszahlungen, Intransparenz, Anstieg der Prüfungen (G-BA, QS, MD(K), Strukturprüfungen führen zum Aufbau Verwaltung und Kostenanstieg, Stimmung zwischen Krankenhaus und Krankenkasse ist am Tiefpunkt und zeigt sich durch Klagewellen vor Sozialgerichten und der bis heute nicht durch die Krankenkassen unterzeichneten Pflegebudgets für 2020. 

Ergebnis: 

  • Finanzielle Belastung und Liquiditätsengpass führen zur Aufnahme von Krediten und Gewährträgerhaftung meist kommunaler Träger oder des Landes, finanzielle Mittel fehlen der Transformation, allein 2020 bereits 1 Mrd. EUR Verlust bei Unikliniken vor Ausgleich durch Landeszahlungen (danach 533 Mio. EUR) – Anstieg in 2021 und 2022 erwartet 
  • Personal wird der Medizin und Pflege trotz Fachkräftemangel entzogen 
  • Erhöhter Dokumentationsaufwand in Pflege und Medizin für rechtssicheren Nachweis bei Prüfungen anstelle Patientenwohl, Patient steht nicht mehr im Mittelpunkt 
  • Innovationskraft der Krankenhäuser für Nachhaltigkeit und Digitalisierung schwindet 

Lösungen: 

  • Feste Prüfquoten von 8% und Abschaffung Maluszahlungen ab 2022 
  • Ausbau eines pauschalierten Abrechnungssystems bestimmter Leistungen (Geburtsmedizin und Notfall) 
  • Herausnahme von MD(K)-Prüfungen bei Rechnungssummen < 2.500 EUR, stattdessen Ausbau der Festlegungen zu ambulanten Leistungen (u.a. AOP-Katalog) 
  • Stopp der Strukturprüfungen mindestens für Maximalversorger und Universitätskliniken 
  • Verbot der Rechnungsabweisung bei medizinisch inhaltlichen Fragestellungen (neue 4. Stufe Prüfung §301 SGB V), stattdessen MD(K) Prüfung 

 

Vorwort: 

Das Gesundheitswesen ist eigentlich ein Wirtschaftsmotor des Landes. Kaum eine Branche hat mehr Mitarbeiter:innen, beschäftigt auch in zweiter und dritter Reihe mehr Menschen. Die Universitätskliniken sind mit ihren hoch spezialisierten Leistungen dabei im Rahmen der Finanzierung und Gesetzgebung genau bedacht wie Fachkliniken und kleine Krankenhäuser. Die Universitätskliniken haben in 2020 über 544 Mio. Euro Verlust erwirtschaftet.1 Die Verluste in den folgenden Jahren werden durchgängig höher geplant. Dies resultiert auch aus einer Reihe von Gesetzesinitiativen der letzten Jahre, die bisher eine Wirkung zur Verbesserung der medizinisch-pflegerischen Qualität verfehlt haben, aber stattdessen die finanziellen Spielräume der Krankenhäuser weiter reduziert haben. Dazu zählen die noch immer kaum vereinbarten Pflegebudgets durch die Blockadehaltung der Krankenkassen und die weiter verhärteten Fronten durch die weitere Ausweitung bürokratischer und umfangreicher Rechnungsprüfungen, QS-Prüfungen und Strukturprüfungen. Ressourcen von tausenden Mitarbeiter:innen aus der Pflege und dem Bereich der Ärzt:innen sind in diese Verwaltungsabläufe integriert und stehen der Behandlung von Patient:innen in Zeiten des Fachkräftemangels nicht zur Verfügung. Die hohen Kosten der Bürokratie im Gesundheitswesen führen zudem zu weiteren Millionenverlusten bei kommunalen und landeseigenen Krankenhäusern. Finanzielle Mittel, die durch die Träger (Gewährträgerhaftung) ausgeglichen werden müssen und damit der weiteren Transformation entzogen werden. 

Ziel muss es entsprechend sein, die universitäre Medizin als Grundpfeiler des deutschen Gesundheitswesens von bestimmten Prüfungen auszunehmen, da die Universitätsmedizin grundlegende Strukturen und Aufgaben bereits auf Basis ihres gesellschaftlichen Auftrags erfüllt. Darüber hinaus sind Maximalversorger und kleinere Krankenhäuser zu entlasten. Fallprüfungen durch den MD und Rechnungsabweisungen durch die Krankenkassen sind auf ein Mindestmaß zurückzuführen oder alternative Mechanismen zu etablieren. Dabei kann auch der Blick auf andere Länder mit DRG-System geworfen werden. Einseitige Strafzahlungen durch das Krankenhaus sind abzuschaffen und das Klima der Zusammenarbeit zum Wohle der Patient:innen zwischen Krankenhaus und Krankenkasse ist positiv zu entwickeln. Das Abrechnungsverhalten der Krankenhäuser ist nachweislich nicht durch Upcoding geprägt. Die meisten Rechnungskorrekturen entstehen durch die Nichtanerkennung tatsächlich erbrachter Leistungen, legale Wahlmöglichkeiten und aufgrund der hohen Komplexität des DRG-Systems.2 Ein Klima der Bestrafung und quartalsweise durch intransparente Quotenermittlungen festgelegte Prüfquoten pro Krankenhaus sind zu pauschalieren. Die Verfahren zur Feststellung von Auffälligkeiten in Rechnungen im Rahmen der Auffälligkeitsprüfungen durch die Krankenkassen müssen transparent sein. Hierzu bedarf es einer Offenlegungspflicht. Darüber hinaus kann darüber nachgedacht werden, ob die Rechnungsprüfung auf Basis von Auffälligkeiten durch eine zentrale Behörde stattfindet oder über einen erstmals unabhängigen Medizinischen Dienst. Der Medizinische Dienst als unabhängige Körperschaft muss zwingend eine echte Unabhängigkeit erhalten, d.h. keine Finanzierung durch die Krankenkassen und Verbot der Besetzung des Aufsichtsrats mit Krankenkassenvertretern.  

Die Ausgabenanstiege der Krankenkassen haben nachweislich nichts mit einer ausufernden Leistungserbringung und Abrechnung der Krankenhäuser zu tun. Die Defizite der GKV resultieren fast ausschließlich aus einer anhaltenden Erosion der Einnahmegrundlage der GKV. Maßnahmen zur Verbesserung der Einnahmegrundlage der GKV müssten in allererster Linie bei den Einkommen der abhängig Beschäftigten ansetzen, wozu nicht nur eine Lohn- und Gehaltsentwicklung gehören müsste.3 Stattdessen müssen die GKV ihrer gesellschaftlichen Aufgabe der Finanzierung nachkommen anstatt weiterhin selbst die Festlegung von Pflegebudgets für das längst abgelaufene Jahr 2020 zu blockieren.4 

Grundlegende Leistungen der Medizin in der Gesellschaft (bspw. Notfallversorgung, Geburtsmedizin) müssen von der Rechnungsprüfung ausgeschlossen sein. An der Gesundheit der Patient:innen darf nicht als Geschäftsmodell der Krankenkassen gespart werden. In gleicher Weise bedarf es für diese Leistungen ein wenig komplexes abweichendes Finanzierungssystem. Für Leistungen der Universitätskliniken sind darüber hinaus eigenen DRGs zu ermitteln. Die Entlastung des Gesundheitswesens von finanziellen Risiken und Bürokratie schafft dabei insbesondere eine verbesserte medizinische Versorgung der Bevölkerung und finanzielle Entlastung der kommunalen und landeseigenen Träger der großen Krankenhäuser (Gewährträgerhaftung bei Verlustausgleich).  

Detailanalyse 

MDK Reformgesetz – OPS Strukturprüfungen – § 275d SGB V 

Hintergrund: 

  • Erstmals ab 2021 erfolgt die Begutachtung der Einhaltung von OPS Strukturmerkmalen i.S.d. § 275d SGB V durch den MD als Voraussetzung zur Abrechnung von OPS Komplexkodes ab dem Jahr 2022. Hierunter fallen insbesondere Leistungen von Universitätskliniken und Maximalversorgern im Rahmen der Intensivmedizin, Palliativmedizin, Geriatrischen Versorgung, etc. 
  • Ca. 350 Mio. EUR Erlösvolumen hinter OPS Komplexkodes5 
  • Begutachtung ist zeitaufwendig und betrifft im Wesentlichen Maximalversorger und Universitätskliniken, da diese entsprechenden hoch komplexen Behandlungen zu einem großen Umfang leisten 
  • Qualitätsanstieg durch die Prüfung ist fraglich, da Einhaltung der Strukturvoraussetzungen auch bereits vorher geprüft (auf Basis des Einzelfalls im Rahmen der Auffälligkeitsprüfung nach § 275c SGB V) wurde und insbesondere Universitätskliniken diese Strukturen eher selbstverständlich einhalten (bspw. Vorhandensein Radiologie, Labor, bestimmter Fachabteilungen und Schichtdienste, hoher Anteil hoch qualifizierter Ärzte, hohe Weiterbildungsquoten in der Pflege) 
  • Geschätzte Verwaltungskosten auf Seiten der Krankenhäuser: ca. 13,7 Mio. EUR6 im Bereich der direkten Bearbeitung der Prüfungen, zusätzlich Einbezug von Ärzten und Pflegekräften in die Prüfungen in mindestens gleichem Umfang 
  • Prüfungen erfolgen im Jahres- und 2-Jahresrythmus in Abhängigkeit des jeweiligen OPS 
  • Prüfungen betreffen auch temporäre Umzüge von Stationen. Prüfungen werden durch den MD aber nur jährlich durchgeführt, d.h. die Prüfungen betreffen Jahresscheiben. Die Erbringung der Leistung ist aber insbesondere bei Neuerbringung, Umzug, Neubau, Renovierung etc. an andere Zeiten gebunden. Leistungen werden daher nicht sofort finanziert.7 Die Erbringung bestimmter Leistung wird daher von Krankenhäusern zukünftig in Frage gestellt, wenn die Finanzierung durch die OPS Strukturprüfungen unsicher ist. 
  • Bereitstellung der Unterlagen an den MD zum Teil in Papierform (fehlende Nachhaltigkeit) 
  • Strukturprüfungen weiterhin mit hoher Unsicherheit aufgrund unklarer oder fehlender Definitionen im OPS Katalog und im SGB V. Gleichzeitig stark formale Prüfung durch den MD auf Basis einer nur für den MD verbindlichen Richtlinie, die durch die Krankenhäuser aber nicht erfüllbar ist. 
  • Die Ergebnisse der derzeitigen Begutachtungen führen bereits jetzt zu hunderten Sozialgerichtsstreitigkeiten und werden in 2022 weiter ansteigen. Eine Erbringung der Leistungen ist nur mit positiver Bescheinigung refinanziert. Eine Klage hat keine aufschiebende Wirkung. Leistungen werden damit für hunderte Krankenhäuser ab 1.1.2022 nicht mehr finanziert. Eine spätere Nachberechnung nach erfolgreichem Sozialgerichtsurteil ist aufgrund des in 2022 geltenden Nachberechnungsverbots nicht möglich. Eine Abrechnung der Leistungen trotz erst einmal negativem Bescheid führt zu Rechnungsabweisungen durch die Krankenhäuser und Nichtzahlung der gesamten Krankenhausrechnung. 

Folgen: 

  • Es besteht das Risiko, dass OPS Strukturprüfungen reihenweise nicht bestanden werden, da OPS Definitionen und die Richtlinie des MDS nicht ausreichend sind. Selbst Universitätskliniken werden zukünftig Leistungen nicht mehr erbringen dürfen. Dies führt zu einer unzureichenden Finanzierung und Liquidität mit erheblichen Auswirkungen auf: 
  • Behandlungsangebot 
  • Behandlungsqualität 
  • Kostendruck und Effizienzdruck 
  • Fehlenden Innovationen insbesondere bei der Digitalisierung und Nachhaltigkeit 
  • Fehlende Finanzierung und Liquidität insbesondere bei Maximalversorgern und Universitätskliniken müssen durch die Träger der Krankenhäuser aufgefangen werden (zumeist öffentliche Träger: Land und Kommune) – allein in 2020: 544 Mio. EUR Verlust trotz Corona-Sonderregelungen und Ausgleichszahlungen. Die Kosten für die zusätzlich notwendige Verwaltung müssten durch das DRG System im Rahmen der InEK Kostenkalkulation (nicht-medizinische Infrastruktur) durch die Kostenträger finanziert werden. Werden für die GKV Bundeszulagen notwendig, wird der Bundeshaushalt entsprechend belastet. 
  • Fehlende Finanzierung insbesondere komplexer Verfahren (Intensivmedizin, Palliativmedizin, etc.) sorgt für eine in Summe reduzierte qualitative Versorgung bis hin zur Einstellung dieser nicht mehr finanzierten Leistungen. 
  • Extrembeispiel: Nichtbestehen des Komplexkodes 8-98d der Kinderintensivmedizin führt zu einem nicht finanzierten Bereich der medizinischen Versorgung schwer Kranker und beatmeter Kinder und geht zu Lasten der schwächsten in unserer Gesellschaft.  
  • Zahlreiche Rechtsthemen sind offen und werden ab Ende 2021 tausendfach in die Sozialgerichte getrieben werden und die Ausweitung der vorhandenen Kapazitäten bedürfen. 

Vorschlag: 

  • Abschaffung der OPS Strukturprüfungen für Universitätskliniken und Maximalversorger > 1.000 Betten 
  • Ausweitung der Frist für OPS Strukturprüfungen auf andere Versorger auf in Summe 3 Jahre 
  • Festlegung der fehlenden Definitionen, z.B.  „Einheit“ (Einheit von Personal, medizinischen Geräten, Prozessen und organisatorischen Maßnahmen unter derselben Leitung, gleichzeitig auch in unterschiedlichen räumlichen Gegebenheiten) und „Station“ (Kombination von Personal, medizinischen Geräten, Prozessen und organisatorischer Maßnahmen unter derselben Leitung zur Behandlung von Patienten) durch den Gesetzgeber unter Einbezug von Krankenhäusern und Fachgesellschaften 

MDK Reformgesetz – MD Prüfungen und Maluszahlungen- § 275c SGB V 

Hintergrund: 

  • §275c SGBV regelt die Rechnungsprüfung durch den Medizinischen Dienst nach der Feststellung von Auffälligkeiten durch die Krankenkasse in Rechnungen des Krankenhauses. Das genaue Verfahren (Fristen, Pflichten) regelt dazu die Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfVV). Sie wurde im Jahr 2021 durch eine Schiedsstelle festgelegt, da sich die Vertragspartner GKV-Spitzenverband und Deutsche Krankenhausgesellschaft nicht einigen konnten. 
  • Der Medizinische Dienst (MD) soll Fälle unabhängig als Gutachter prüfen, wird durch die Krankenkasse aber weiterhin finanziert und der Aufsichtsrat wird durch die GKV besetzt. 
  • Umfang der Prüfungen medizinischer stationärer Fälle i.S.d. § 275 c SGB V (Rechnungsprüfungen, MD(K)-Prüfungen bzw. Auffälligkeitsprüfungen) durch den MD pro Jahr ca. 700.0008 
  • Das MDK Reformgesetz legt erstmalig ab 2022 die Anzahl der durch die Krankenkasse / MD maximal zu prüfenden Fälle (Prüfquote) auf Basis des Anteils positiver Leistungsentscheide des vorvorherigen Quartals fest. Leistungsentscheide folgen als Ergebnis der Krankenkassen auf die Auswertung der Gutachten des Medizinischen Dienstes und können von der Meinung des MD abweichen. 
  • In Abhängigkeit vom Anteil positiver Leistungsentscheide im Quartal erfolgt ein Aufschlag von bis zu 50% für die Krankenhäuser als Maluszahlung / Strafzahlung. Dabei wird den Krankenhäusern unterstellt, dass eine fehlerhafte Abrechnung absichtlich erfolgt und daher bestraft werden muss.  
  • Die Ermittlung der Prüfquote und der damit zusammenhängenden Maluszahlung erfolgt intransparent auf Basis von Daten, die durch die Krankenkassen an den GKV Spitzenverband gemeldet werden. Ein Einsichtsrecht in die Ermittlung und den Daten hat das Krankenhaus nicht. Die Folgen daraus, hat es jedoch zu tragen. 
  • Basis für die Ermittlung der Quoten bilden Daten des § 301 SGB V Datensatzes zwischen Krankenhäusern und Krankenkasse 
  • Fehlerhafte Leistungsentscheide, fehlerhafte Gutachten des MD wirken einseitig negativ für die Krankenhäuser, da auch durch den MD oder die Krankenkasse fehlerhaft festgelegte Entscheidung nach Korrektur nicht zu einer Korrektur der Quoten führt 
  • Steuerung der Prüfquote durch die Krankenkassen möglich. Hierzu kann die Krankenkasse unabhängig vom Datum des MD-Gutachtens den für die Ermittlung der Quoten notwendigen Leistungsentscheid nahezu beliebig in die Ermittlungsquartale verteilen und dadurch für sich positiv steuern.  
  • Über das Prüfverfahren (MD Verfahren) hinaus verwenden Krankenkassen das DTA Verfahren ebenfalls zur indirekten Prüfung bestimmter Sachverhalte durch die Abweisung von Rechnungen außerhalb der Prüfquote. Dies geschieht durch die Abweisung von Rechnungen als unberechtigt und Mitteilung von Rückfragen zur Kodierung, stationären Bedürftigkeit etc. Die Fälle müssen entgegen der Regelungen des MDK Reformgesetz durch die Krankenhäuser zusätzlich zum MD Prüfverfahren bearbeitet werden und führen regelmäßig zu verspäteten Zahlungen (Liquiditätsverlust auf Seiten der Krankenhäuser) und zu Erlöskürzungen.9 Im Rahmen der jüngsten Gesetzgebung wurde den Krankenkassen ab 2022 die Möglichkeit sogar gesetzlich eingeräumt (4. Stufe der Rechnungsdatensatzprüfung). Unabhängig von einer Begutachtung durch den MD und den damit verbundenen Quoten, kann damit die Krankenkasse weitere Rechnungen von der Zahlung aussetzen und um Klärung medizinischer Begründungen bitten. 

Folgen:  

  • Krankenhäuser rutschen auf Basis fehlerhafter Daten und Entscheidungen unberechtigt in die nächst schlechtere Prüfquote, Auswirkungen auf Finanzierung der Krankenhäuser von ca. 100 Mio. EUR pro Jahr10 zzgl. Kosten für Klageverfahren vor Sozialgerichten (ca. weitere 100 Mio. EUR für Gerichts- und Rechtsanwaltskosten sowie Verwaltungskosten auf Seiten der Krankenkassen und Krankenhäuser) 
  • Krankenhäuser zahlen darüber hinaus Maluszahlungen als Strafe und werden als „Sünder“ und „Betrüger“ dargestellt. Kodierungen erfolgen nicht vordergründig als Upcoding sondern aufgrund unterschiedlicher Interpretationen von Kodierrichtlinien und OPS / ICD Kodes sowie unzureichenden Schulungen, wechselndes Personal, der hohen Komplexität des DRG-Systems etc.11 Die Maluszahlungen führen zu einer jährlichen Mehrbelastung der Krankenhäuser in Höhe von ca. 157,5 Mio. EUR pro Jahr12 
  • Erörterungsverfahren, eingeführt durch die PrüfVV ab 2022, bindet für Fälle mit negativen MD Gutachten zusätzliche Kapazitäten von ca. 1 VK pro 50.000 Behandlungsfälle – zusätzlicher Personalaufwand in der Verwaltung von ca. 96,8 Mio EUR13 
  • Gesamtbelastung von ca. 360 Mio. EUR pro Jahr zahlt zum großen Teil der Träger des Krankenhauses, oftmals Land und Kommune. Die entsprechenden Mittel fehlen dem Transformationsprozess 
  • Darüber hinaus werden im Rahmen der Prüfungen Medizincontroller (oftmals Ärzte) und Kodierfachkräfte (oftmals Pflegekräfte) der Behandlung von Patienten entzogen 

DRG-Kodierung 

Hintergrund: 

  • Die Einführung des DRG Systems hatte das Ziel die Finanzierung von tagesbezogenen Patientenfällen auf eine kostenbasierte Finanzierung umzustellen. Dabei werden Fälle ähnlicher Diagnosen und Prozeduren zu einer DRG zusammengefasst und auf Basis deutscher Durchschnittskosten erstattet 
  • Hiervon negativ betroffen sind landeseigene Universitätskliniken, deren Kostenstrukturen deutlich über den Kosten kleinerer Krankenhäuser liegen. 
  • Wiederrum erhöhen die Kosten der Universitätskliniken die Durchschnittskosten, wodurch stark auf Kostensenkung konzentrierte private Träger Gewinne erwirtschaften können. Dies geht entsprechend zu Lasten der Länder und Kommunen, die zu meist Träger der Universitätskliniken und Maximalversorger (städtische Kliniken) sind. 
  • Die hohe Komplexität des DRG Systems führt zudem zu einem hohen Anteil notwendiger Kodierfachkräfte und Medizincontroller:innen auf Seiten der Krankenhäuser, des MD und der Krankenkassen. Folge des DRG Systems ist daher kostenintensive Verwaltungsbereiche für Kodierung, Dokumentation und Fallprüfung. Neben der Kodierung ist bspw. ein Arzt:in im Durchschnitt 4h mit der Dokumentation pro Tag beschäftigt und steht nicht für die Behandlung zur Verfügung. Die Dokumentation ist in bestimmten Umfang notwendig und wichtig auch für die Behandlung und Folgebehandlung, aber in dem Umfang auch durch die Dokumentationserfordernisse für die Abrechnung getrieben. 

Risiken: 

  • Die Ausweitung der MD Prüfungen und die weitere Verhärtung zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen führt zu einem weiteren Anstieg für die Abrechnung notwendiger Dokumentationen. Pflege und Ärzte werden der Behandlung von Patienten entzogen. 
  • Die Retaxierungen aus MD Prüfungen werden durch Verwaltungskosten, Aufbau von weiteren Ressourcen auf allen Seiten, Gerichtskosten, etc. mehr als aufgefressen. Das eigentliche Ziel der Kostenreduzierung und Kostensteuerung wird nicht erreicht. 

Vorschlag: 

  • Das DRG System wird entschlackt. Systemwichtige Bereiche werden pauschal finanziert, bspw. Notfallversorgung, Geburtsmedizin. Eine Prüfung durch den MD findet in diesen Bereichen nicht statt. Die Finanzierung wird hierbei nicht mehr durch das DRG System erfolgen, sondern nach Pauschalen. 
  • Die derzeit aufgeblähten und kostenintensiven Prüfungen der Wirtschaftlichkeit medizinischer Krankenhausleistungen werden reformiert.  
  • Rechnungsabweisungen durch die Krankenkasse außerhalb des MD Verfahrens werden verboten. Rechnungsabweisungen sind nur dann zulässig, wenn Rechnungsstammdaten (Patientendaten) nicht korrekt sind. Fehler innerhalb der Kodierung oder über zur stationären Aufnahme sind durch den MD zu prüfen. 
  • Die Ermittlung der Prüfquote über den Anteil positiver Leistungsentscheide hat sich nicht als praktikabel ergeben (Intransparent, ungenau, unsozial). Die Prüfquote wird daher auf 8% gesetzlich festgeschrieben. 
  • Von der Prüfung durch den MD ausgenommen sind Rechnungen unter EUR 2.500, damit das Ziel der Wirtschaftlichkeit und Effizienz erreicht wird. 
  • Fälle möglicher Fehlbelegungen werden durch die Ausweitung des AOP-Katalogs vorangetrieben.  
  • Die Maluszahlung wird abgeschafft. 

Zusammenfassung: 

  • Die durch die große Koalition umgesetzten Gesetzesinitiativen haben das Ziel verfehlt. Das Gesundheitswesen ist finanziell stark belastet und die Kosten werden zum großen Teil durch den Bund, Land und Kommunen im Rahmen von Zulagen in die Gesetzlichen Krankenversicherungen oder als Verlustübernahmen kommunaler und landeseigener Krankenhäuser getragen werden. Die entsprechenden Mittel fehlen daher dem Bund, Land und den Kommunen bei den angestrebten Transformationsprozessen. 
  • Darüber hinaus fehlen den Krankenhäusern entsprechende Reserven für die Sicherstellung einer hohen Qualität in der medizinischen Versorgung. 
  • Zur Absicherung der zusätzlichen Pflichten (u.a. auch aus der PpUGV und den hier genannten Sachverhalten) ist ein erheblicher Aufbau von Verwaltung geschehen und weiterhin notwendig. Die Kosten der zusätzlichen Verwaltung belasten über das DRG-System die InEK Kostenkalkulationen und damit die Behandlungskosten sowie darüber hinaus für nicht anrechenbare Kostenbestandteile die Verluste von Krankenhäusern (Verlustausgleich durch Träger). 
  • Die Insolvenzgefahr von Krankenhäusern ist stark gestiegen. 
  • Der Aufbau der Verwaltung erfolgt insbesondere aus Ärzten und Pflegekräften, die ihren Beruf dafür aufgeben. Dies erhöht die Belastung der verbleibenden medizinischen Fachkräfte, mindert die Versorgungsqualität und erhöht den Fachkräftemangel zusätzlich. 
  • Die fehlenden Investitionen und finanziellen Spielräume erlauben zudem keine Innovationen in Digitalisierung und technische Unterstützung in der Pflege zur Erhöhung der Attraktivität des Berufs. 

Ziel ist es daher: 

  • Verschlankung der Bürokratie und Nachweispflichten im Gesundheitswesen 
  • Reduzierung der dafür notwendigen Verwaltungsstrukturen 
  • Entlastung durch Abschaffung von Maluszahlungen und OPS Strukturprüfungen 
  • Schaffung eines unabhängigen Medizinischen Dienstes 
  • Neuschaffung eines schlanken und effizienten Systems der Rechnungsprüfungen 
  • Rückführung von Pflege- und ärztlichem Personal aus der Verwaltung an die Patienten 
  • Schaffung Investitionsspielräume in klimaneutrale und nachhaltige Krankenhäuser